Rote Grütze
Rote Grütze im Bornheimer Ratskeller
Im Juni finden traditionell die Abschlussprüfungen bei den Köchen/Köchinnen statt. Ich versuche jedes Halbjahr mindestens einmal als Prüfer teilzunehmen, weil man dort vielleicht auf jemanden trifft, der nach drei Jahren Ausbildung nicht die Branche wechselt oder alle Motivation geraubt bekommen hat. Um meine eigenen Azubis nach und nach auf die Prüfung vorzubereiten und mich selbst an die abgelieferten Teller zu erinnern, schieße ich immer ein paar Handyfotos. Einer der fotografierten Nachtische hat bei unserem Azubi aus dem ersten Lehrjahr den Wunsch geweckt, etwas ähnliches zu produzieren. Es ist ein einfaches Dessert, das von der Güte der eingesetzten Lebensmittel lebt und von der handwerklichen Herstellungsweise.
Zunächst aber das Bild aus der Prüfung. „Beerenragout mit Mandelhippe und Joghurteis“ wurde uns dort angekündigt. Wie man erahnen kann, sind in der Eile (Desserts werden gerne mal im letzten Augenblick fix zusammengewürfelt) die Beeren und deren Saft nicht ordentlich gebunden worden, sodass die Flüssigkeit (Rotwein) sich ein wenig dünn über den Teller ergießt. Die Hippe war ordentlich und das Eis sogar sehr lecker, wenngleich die Nocke nicht hübsch abgestochen wurde. Da wir gerade auch allerlei Beerenobst erhalten, war die Idee von Roter Grütze schnell geboren. Eine klassische, deutsche Nachspeise, die allzu oft mit Füßen getreten und dann in Eimern abgefüllt wird. Die Herstellung ist nicht kompliziert, aber wie immer mit Aufwand verbunden (vor allem beim Entsteinen der Kirschen). Im Grunde genommen geht es nur darum, einen möglichst leckeren Sud zu produzieren, um die Beeren darin sanft zu garen. Im Idealfall sind die am Ende nicht verkocht und die Flüssigkeit so gebunden, dass Obst und Flüssigkeit eine Einheit bilden. Wir machen das traditionell mit Sago, der gekörnten Tapiokastärke. Zunächst müssen aber alle Beeren in mundgerechte Stücke geteilt werden. Zum Glück nicht alle, denn das würde unseren derzeitigen Rahmen sprengen. Die meiste Arbeit machen die Bio-Kirschen von Familie Speth, weil Kirsche für Kirsche erst entrappt und dann entsteint werden muss. Erdbeeren wird der Strunk abgezupft, bevor sie dann geschnitten werden, Heidelbeeren, Brombeeren und Himbeeren bleiben dankenswerterweise so wie sie sind. Der Sud besteht aus Karamell, den alten Beeren und Saft (Cranberry, schwarze Johannisbeere und Kirsche), damit auch Schwangere, Kinder, Muslime und trockene Alkoholiker diese Nachspeise genießen können. Wir kochen alles eine Weile mit einem Gewürzsäckchen und geben dann den Sago hinzu. Auch dieser kocht eine Weile mit, damit sich die Stärke löst und die Flüssigkeit bindet. Im Idealfall verkocht man nicht alle Stärke, damit kleine Kügelchen erhalten bleiben, die sich dann mit der Flüssigkeit vollsaugen. Das bringt eine kleine, extra Textur in das Gericht. Zum Schluss kommt dann das frische Beerenobst aus der Region (bis auf die Heidelbeeren) hinzu. Einmal aufkochen – fertig ! Da ich immer versuche, unsere Desserts nicht ganz so süß zu gestalten, bin ich ein klein wenig enttäuscht. Die fehlende Säure eines Rotweins hätte dem Zucker der Säfte sicher ein wenig was entgegengesetzt. So muss das Joghurteis die Aufgabe übernehmen. Die Rezeptur der Hippen werden wir morgen nochmal um ein wenig Butter ergänzen, damit sie etwas mürber werden. Sonst leidet die eatability, wie das heute der Restauranttester nennt und vielleicht auch Ihre Bluse oder Ihr Hemd. Am Schluss servieren wir dann eine Kelle hausgemachter Rote Grütze mit Mandelhippe und Joghurteis im Schälchen, was auch in großer Stückzahl einigermaßen schnell vonstatten geht. Und sind, wie eingangs erwähnt, mal wieder vor dem Start einer Speise mit der Nachricht an Sie rausgegangen. Vielleicht klappt das in Zukunft wieder häufiger, damit Sie sich trotz täglich wechselnder Karte schon im Vorfeld auf etwas freuen können.