(Prämierte) Paella aus dem Ratskeller!

Wir sind unseren Gästen noch einen kleinen, kulturhistorischen Exkurs in Sachen Paella schuldig, um die verrückte Geschichte um unsere Teilnahme an der letztjährigen Weltmeisterschaft endlich abzurunden. Gleichzeitig nutzen wir die Gelegenheit, um unsere erste, eigene Paella-Saison anzukündigen, denn der Start des Gartengeschäftes steht gefühlt unmittelbar bevor.

Wichtige Informationen zur Paella

Damit Sie aber in den vollen Paellagenuss kommen, müssen wir aufgrund unserer Erfahrungen vom vergangenen Herbst, als wir uns auf die Weltmeisterschaft vorbereitet haben, noch ein paar Sachen vorwegschicken, denn offensichtlich ist das Wissen um dieses allseits beliebte Gericht ein wenig beschränkt. Da wir auch schon gefragt wurden, wie man Kartoffeln kocht, ist das nicht weiter verwunderlich. Gerne helfen wir unseren Gästen beim Schließen der Wissenslücken, denn am Ende hilft auch uns das weiter.

Wo kommt das Gericht her?

Reis kurz vor der Ernte außerhalb von Sueca
Reis kurz vor der Ernte außerhalb von Sueca

Wenn man authentische Paella genießen möchte, ist es zunächst einmal wichtig zu wissen, wo dieses Gericht überhaupt herkommt. Unabhängig vom genauen Ort muss das natürlich eine Gegend sein, in der schon seit Urzeiten vom und mit dem Reisanbau gelebt wird. Die Albufera in der Provinz Valencia ist so eine Gegend, in der Reis wächst soweit das Auge reicht. Sie ist für spanische Verhältnisse wasserverwöhnt, den Rest erledigt ein sehr schlau angelegtes, Jahrhunderte altes Bewässerungssystem. Denn ohne Wasser gibt es keinen Reis.

Mittendrin liegt Sueca, die Geburtsstadt der Paella (zumindest behauptet das Sueca selbst). Wir befinden uns knappe 40 Kilometer südwestlich von Valencia im Landesinneren. Wir hatten das Glück kurz vor der bevorstehenden Reisernte dort zu sein und konnten nach einem erneuten Dürrejahr 2022 nicht glauben, wieviel Fläche dort geflutet war. Das sind alles wichtige Informationen, wenn man begreifen möchte, wie Paella ursprünglich entstanden ist und wieso diese Tradition in Sueca zementiert wird.

Die Zutaten

Die Landarbeiter, die dieses Gericht begründet haben, kochten es unter freiem Himmel mit dem, was ihnen zur Verfügung stand. Neben der allseits bekannten Pfanne waren das das Holz der dort ebenfalls reichlich vorhandenen Orangenbäume, die jedes Jahr nach der Ernte zurückgestutzt werden, Rundkornreis verschiedener Sorten (Arroz bomba ist die bekannteste) und alles, was ein Landwirt sonst noch so am Start hat, nämlich Kaninchen, Huhn und Schnecken. Die gehören zu jedem Feuchtbiotop, und eine leckerere Art und Weise sich dieser Fressfeinde zu entledigen hätte man sich nicht ausdenken können. Darüber hinaus kommen drei typische Bohnensorten (zwei grüne und breite Sorten sowie eine dicke weiße), frische Tomaten, Knoblauch, Paprikapulver, Safran, Meersalz, Olivenöl und Wasser zum Einsatz – das war es ! Siehe auch: https://concursodepaella.com/es/la-receta/

Alleine schon wegen der Bohnen ist eine authentische Paella nur vor Ort zu kochen, denn viel davon gibt es nicht. Auch das lokale Wasser ist notwendig, um ein perfektes Ergebnis zu erzielen, sagt man. Und last but not least das Holz der Orangenbäume. Ich wage zu behaupten, dass man auch auf anderem Holz passable Ergebnisse erzielen kann, überlasse das aber den Einheimischen. Das tolle an den Orangenbäumen aber ist, dass sie nicht so groß werden, sodass die dicksten Stämme einen maximalen Durchmesser von 10cm erreichen. Das meiste Holz ist im Querschnitt aber viel kleiner, sodass es sehr viel schneller anspricht, wenn man auf offenem Feuer damit kocht. Und Paella wird auf offenem Feuer gekocht ! Wir sind allen augenblicklichen Diskussionen um das Klima zum Trotz große Fans dieser Technik geworden. Wenn man sich da reinfuchst, macht das nicht nur großen Spaß, sondern beschert einem auch eine Hitze, die kein handelsüblicher Gasbrenner zustande bringt. Dazu aber später mehr, denn eigentlich waren wir ja bei der Region und den Bauern. Dazu gibt es noch folgendes zu sagen, was auch immer wieder für großes Erstaunen gesorgt hat: das Original hat keine Meeresfrüchte. In Anbetracht der Tatsache, dass das Meer damals auch eine Tagesreise entfernt war, eigentlich nicht weiter verwunderlich. Mit dem Siegeszug der Paella und ihrer Verbreitung auf der ganzen iberischen Halbinsel sind dann nach und nach immer neue Versionen mit einem stetig wachsenden Pool von Ingredienzien hinzugekommen. An den Küsten mit Fisch und Meeresgetier, im Landesinneren mit allerei anderem Fleisch und auch Wurstwaren (Chorizo zum Beispiel) sowie regional unterschiedlich vorhandenem Gemüse. Ich vergleiche das gerne mit der Pizza, deren Siegeszug ja sogar global zu betrachten ist – in Neapel sind es lediglich Tomaten und Mozzarella, auf Hawai hat man halt auch Ananas am Start, wieso nicht ?

Die Kochkultur

Der zweite, wichtige Aspekt liegt in der Kochkultur begründet. Die unterschiedlichen Rundkornreissorten haben aufgrund der verschiedenen Stärkegehalte unterschiedliche Kochtechniken hervorgebracht. Diese lassen sich in drei unterteilen: arroz caldoso, arroz meloso und arroz seco. Frei übersetzt bedeutet das soviel wie suppiger Reis, cremiger Reis und trockener Reis, was nicht negativ gemeint ist. Arrozes caldosos sind immer Gerichte, die kurz gesagt gelöffelt werden müssen, bei denen der Reis als Suppeneinlage fungiert. Arroz meloso kommt einem Risotto gleich, auch wenn es in Spanien ein Sakrileg ist, Butter und Käse darin zu versenken. Arroz seco heißt trockener Reis, weil hier die Flüssigkeit, mit der der Reis gegart wird, am Ende vollständig aufgesaugt sein muss, damit sich zwischen Reis und Pfannenboden eine schöne Kruste bilden kann. Paella ist natürlich ein arroz seco. Der muss aber nicht nur trocken sein und eine schöne Kruste aufweisen, er muss am Ende auch locker, flockig in der Pfanne liegen. Wie geht das ? Indem man ihn nicht rührt. Zu keinem Zeitpunkt. Die ständige Bewegung sorgt nämlich dafür, dass der Reis seine Stärke abgibt. Was beim Risotto gewünscht ist, um möglichst viel (leckere) Flüssigkeit zu binden, ist bei der Paella verpönt. Deswegen packen Sie den Kochlöffel auf jeden Fall wieder weg, wenn Sie sich mal an Paella wagen sollten – muss ja nicht gleich über offenem Feuer sein. Ein weiterer, wichtiger Aspekt bei Gerichten, die man zu arroz seco zählt, ist, dass die Menge Reis, die man in einer Paellapfanne kocht, durch den Durchmesser dergleichen vorgegeben ist. Und zwar durch die Ein-Finger-Regel. Das bedeutet, dass man für ein gutes Ergebnis am Ende nur die Menge Reis verwenden darf, die es braucht, um eine Höhe von einem Finger zu erreichen, also unter normalen Umständen von max. zwei Zentimetern. Das ist deshalb wichtig, weil der Pfannenrand ja nur eine bestimmte Menge Flüssigkeit fasst und auch das Verhältnis von Wasser zu Reis stimmen muss. Wer am Ende eine Paella serviert, deren Reishöhe mit dem Pfannenrand übereinstimmt, hat immer wieder Wasser angießen müssen, was genauso schädlich ist wie Rühren. Eine gute Paella ist deswegen immer nur einen Finger hoch. Ausnahmen bilden nur Zutaten, die höher sind (ein Hühnerschenkel z.B.) und deswegen am Ende herausstechen. Nur so kann die Pfanne zu Beginn des eigentlichen Garprozesses, also wenn der Reis hinzugekommen ist, alle Zutaten fassen, sprich den Reis, ungefähr die dreifache Menge an Flüssigkeit und den Rest der o.g. Sachen. Das köchelt dann mehr oder weniger kontrolliert runter, bis alle Flüssigkeit aufgesogen, bzw. verdampft ist und das wieder am Pfannenboden befindliche Olivenöl sich unter großer Hitze mit der Stärke des Reises zu dem knusprigen Soccarat vereint, das einem die meisten Punkte der Jury beschert, wenn es gleichmäßig, goldbraun daherkommt, was man leider nicht sehen, aber mit einiger Übung hören kann, sofern nicht Volksfeststimmung ist !

Paella - ein Reisgericht

Der dritte, kulinarisch wichtige Aspekt ist, dass Paella ein Reisgericht ist. Das bedeutet: alle anderen Zutaten sind nur Mittel zum Zweck. Wer das nicht versteht, dem wird der echte Paellagenuss für ewig verschlossen bleiben. Huhn, Kaninchen, Knoblauch, Salz, Tomaten, etc. sind nur dazu da, aus dem Wasser einen leckeren Fond zu machen, mit dem sich der Reis dann im Nachgang vollsaugt. Der Anstand gebietet es, dass man dann alles aufisst, große Freude bereitet einem aber nur der Reis. Ihm ordnet sich alles unter. Das verlangt auch dem geübten Koch einiges ab, da er das Fleisch und einen Großteil des Gemüses gnadenlos übergaren muss. Am Ende hat aber jedes Reiskorn allen eingebrachten Geschmack aufgesogen, sodass nichts verloren gegangen ist. Überlegen Sie sich also gut, wenn Sie sich das nächste Mal beschweren, dass Sie nur zwei Fleischteile erhalten haben, wo die Person vor Ihnen drei auf dem Teller hatte. Sie werden vermutlich mit mehr Reis gesegnet sein und sollten deswegen schauen, dass Sie fortkommen, damit Sie keine neidischen Blicke anziehen. Und sich so still und heimlich als Kenner der spanischen Kulinarik outen. Apropos servieren: irgendwann nach ca. zwei Stunden Arbeit ist eine Paella ja dann auch servierfertig. Denken wir wieder an die ursprüngliche Darreichungsform, dann ist natürlich klar, dass man mitten auf dem Feld den Reis gemeinsam aus der Pfanne gelöffelt hat. Das ist noch heute der Fall, auch wenn immer mal das Wohnzimmer dafür genutzt wird. Stolz präsentiert der Macher sein Werk in der Tischmitte vor der versammelten Mannschaft. Damit es hier nun keinen Streit gibt („Du kannst gerne mein Fleisch haben, wenn ich Deinen Reis kriege!“), hat der Koch die Zutaten schön symmetrisch über das ganze Rund verteilt. Essen zum Beispiel vier Personen an einer Paella, dann werden in jedem imaginären Kreisviertel dieselbe Anzahl an Schnecken, Fleischteilen, Gemüsestücken und natürlich Reis sein. Das ist gar nicht so einfach, wenn man sich vor Augen führt, dass man ja nicht dauernd in der Pfanne herumfuhrwerken darf. Erklärt aber, wieso es auch für Symmetrie ein paar Punkte von der strengen Jury gibt.

Die Details

Alles andere ist kochtechnischer Natur. Das ist nicht gerade wenig, weil es sich über den Lauf der Jahrzehnte zu einem immer umfangreicher werdenden Prozess entwickelt hat, den die Weltmeisterschaft seit über 60 Jahren Jahr für Jahr feiert.

Alles beginnt mit einem Feuer. Einem eher bescheidenen, da es am Anfang keine große Hitze braucht. Das Anzünden und das Zurechtschneiden der Orangenbaumteile ist das einzige, was vor dem offiziellen Start um 12 Uhr geschehen darf. Dann kommt der Gong. Huhn und Kaninchen sind schnell, weil routiniert zerlegt und bruzzeln keine fünf Minuten später bereits in mäßig temperiertem Olivenöl. Auf die Größe der Teile kommt es an, denn mehr Oberfläche erzeugt mehr Röststoffe, die dann wiederum einen schmackhafteren Fond erzeugen. Allerdings verkochen kleine Teile natürlich auch schneller, sodass hier bereits die erste Weiche gestellt wird. Als Faustregel gilt, dass das Kolorieren der Zutaten, also das Anbraten zum Zwecke der Färbung gute 45 Minuten in Anspruch nehmen darf. Zunächst das Huhn, weil es am fettigsten ist und sich so nach und nach desselben entledigt. Die Temperatur und auch die Flamme ist immer klein zu halten, damit die wenigen Stücke am Anfang in der Pfannenmitte langsam goldbraun werden können. Als zweites kommt das Kaninchen hinzu. Alles, was bereits die gewünschte Farbe aufweist, wandert einfach an den kühleren Pfannenrand, wo es aufgrund der auf die Mitte konzentrierten Flamme nicht weitergart und womöglich verbrennt. Das gilt natürlich auch für das Olivenöl, das zu keinem Zeitpunkt über den Rauchpunkt hinaus erhitzt werden darf. Sonst wird es bitter und man hat es schon ganz zu Beginn verdödelt. Dann die Bohnen, der Knoblauch und das Paprikapulver. Auch die letzten beiden bescheren dem Gericht eine unvergleichliche Bitternote, wenn die zu lange und/oder zu stark erhitzt werden. Deswegen sollte man seine Tomaten bereits gerieben zur Hand haben, um damit im richtigen Moment abzulöschen. Ist alle Flüssigkeit verdampft, wird mit Wasser aufgegossen. Und zwar soviel, dass alle Zutaten bedeckt sind, weil sie ansonsten ja nicht auslaugen können. Auch hier ist die Temperatur von größter Bedeutung, denn man muss versuchen, die folgenden 45 Minuten nur soviel Wasser verdunsten zu lassen, dass am Ende genau die richtige Menge übrig ist, die der Reis benötigt. Zumal das Wasser ja dann zu Fond geworden ist. Auf halber Strecke kommt der Safran hinzu und auch die Salzmenge muss nun abgestimmt werden, da der Reis ja kein Salz mehr aufnimmt, wenn die Flüssigkeit erstmal weg ist. Das erfordert alles viel Übung und Erfahrung, weshalb wir an dem betreffenden Tag über das richtige Gespür oder das richtige Quäntchen Glück verfügt haben. Wenn nach anderthalb Stunden die Flüssigkeitsmenge und der Salzgehalt stimmen, kommt der Reis hinzu. Er hat eine Gardauer von 18 Minuten. Sobald er in der Pfanne ist, muss die Temperatur schnell auf ein Maximum ansteigen, damit er sich durch den brodelnden Fond ganz von alleine gleichmäßig über den ganzen Pfannendurchmesser verteilt. Diesen Zustand versucht man ein Drittel der Gardauer (also sechs Minuten für die Azubis) aufrecht zu erhalten, um dann die Temperatur stetig auf null zu verringern. Im Idealfall ist nach 18 Minuten alle Flüssigkeit verschwunden, ob nun verdampft oder aufgesogen. Kurz davor werden die Schnecken auf der Paella verteilt. Dann schwindet das Röcheln des letzten Wassers zugunsten eines Knusperns, das die sich goldbraun verfärbende Kruste, die man unter der fingerdicken Reisschicht leider nicht sieht, verbreitet. Im Gegensatz zu Risotto, der landläufig al dente serviert wird, ist der Reis einer Paella ein wenig weiter gegart, ohne zu verkochen natürlich. Und die Farbe sollte leuchtend gelb sein, wobei das Paprikapulver dazu mindestens genauso viel beiträgt wie der Safran. Sind die Zutaten alle schön adrett verteilt und schmeckt der Reis, dann hat man eine Paella gekocht, auf die man zurecht stolz sein kann. Und die, wenn sie um 14 Uhr abgegeben wird, ggf. eine Medaille gewinnt ! :-)

Paella im Bornheimer Ratskeller

Weshalb wir nun zum letzten Teil kommen, nämlich unseren Absichten für die bevorstehende Gartensaison. Ja, wir werden Paella anbieten. Wir sind inzwischen recht ordentlich ausgestattet und werden versuchen, die vielen Anfragen, die uns schon die ganze Zeit erreichen, in die Tat umzusetzen. Allein das Personal muss dafür vorhanden sein. Wie man sieht, muss man leider einen dafür abstellen. Das ist uns schon letztes Jahr kaum gelungen, als es die Grillstation zu bespielen galt. Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, und wenn nichts passiert, dann können wir ja noch an anderen Hebeln ziehen. Wir haben auf jeden Fall Paellaentzug, weshalb wir uns auf Ihre Anfragen nach dem Start des Gartenbetriebes freuen. Abgesehen von einzelnen und separat angekündigten Paellaevents wird es das spanische Originalrezept nur auf Vorbestellung und ab 10 Personen aufwärts geben. Bitte richten Sie sich darauf ein, dass es ggf. noch zeitliche Vorgaben gibt, da wir bei zwei oder drei Paellas nicht alle zeitgleich werden zubereiten können. Vermutlich kommen dann noch weitere Aspekte hinzu, an die wir noch nicht denken, aber das ist ja normal, wenn man etwas zum ersten Mal macht.

Gruß aus der Küche und buen provecho, Mario Furlanello

069/79370300

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