Rehbolognese und Hunter's pie - Blick in die Metzgerei (KW 19)

Nachdem in der vergangenen Woche die Ausbildung im Mittelpunkt unseres Berichtes stand, möchten wir in Hinblick auf unser Speisenangebot der 19. KW ein wenig über das sogenannte nose to tail Prinzip erzählen.

Am Montag erreichte uns nämlich mal wieder ein Anruf des Forstamtes in Langen, der vier Rehe und ein Wildschwein ankündigte. Selbstverständlich haben wir zugesagt und die Tiere am Mittwoch geholt. Bevor wir sie im Bornheimer Ratskeller verarbeiten, werden sie noch in Langen aus der Decke geschlagen und grob zerlegt. Das Arbeiten in der Kühlkammer des Forstamtes hat den Vorteil, dass dort eine höhenverstellbare Rohrbahn vorhanden ist, die das parallele Arbeiten von zwei unterschiedlich großen Personen ermöglicht. So sind die fünf Exemplare einigermaßen schnell auf Transportgröße zurechtgestutzt. Schon während der Grobzerlegung in Vorderlauf, Hals oder Nacken mit Brust, Rücken mit Bauch und Keule überlegen wir, was wir damit wohl anstellen können. Für die kommende Woche sind wir auf einen Ratskellerklassiker gekommen, die Tagliatelle mit Rehbolognese und ein neues Gericht aus Wildschwein, das wir so noch nie gekocht haben. Wir haben es in Anlehnung an das irische Original Hunter´s pie getauft. Wie sooft im Bornheimer Ratskeller liegen unseren Entscheidungen keine quälend langen, kulinarischen Überlegungen zugrunde. Dafür sind wir ein viel zu einfaches Lokal. Die Quelle unserer Gerichte ist oft der reine Pragmatismus und/oder die Notwendigkeit, alles von den Tieren verwerten zu müssen. Im Falle von Wildbret - das nur nebenbei bemerkt - wird uns eine oftmals nicht so einfache Entscheidung abgenommen: was geschieht mit den Innereien ? Zum Glück werden die fast immer den Jagdhunden zur Belohnung überlassen. Ansonsten lebt der Bornheimer Ratskeller davon, dass er üblicherweise ziemlich teure Zutaten wie eben Reh oder all das andere hochwertige Fleisch im Ganzen etwas günstiger einkauft, um es dann vor Ort zu zerlegen und zu einer Vielzahl an Gerichten weiter zu verarbeiten, die Ihnen dann hoffentlich schmecken. Dasselbe gilt natürlich auch für Obst und Gemüse, von dem wir sicherlich ein anderes Mal berichten werden.

Wie auch immer, die aktuelle Sau wog 27 kg. Nachdem Kopf und Decke runter waren, sind es schon nur noch 22,5 kg gewesen. Da relativiert sich der Einkaufspreis dann ganz schnell. Nachdem das Tier im Bornheimer Ratskeller zerlegt war, sind nochmal 6kg Knochen abgegangen. Die kann man natürlich nicht wirklich als Verlust rechnen, da sie mit Gemüse, Tomatenmark und Wein zu einem leckeren Fond weiterverarbeitet wurden. Bleiben noch 16,5kg Fleisch, von denen wir die Rücken und die Lenden für den regulären Restaurantbetrieb auf die Seite legen. Den Rest würden wir unter normalen Umständen in zwei Haufen teilen, nämlich sehnenreiches und sehnenarmes Fleisch, oder anders gesagt in solches, das man kurzbraten kann (für Geschnetzeltes zum Beispiel) und solches, das etwas mehr Hitze oder Gardauer braucht, um genießbar zu werden (als Ragout zum Beispiel), damit unsere Speisekarte den steten Wechsel erhält, den Sie vom Bornheimer Ratskeller gewohnt sind. Das ist im Augenblick aber nicht möglich, da wir im Gegensatz zu sonst möglichst viele Portionen von ein und demselben Gericht produzieren müssen. Also jagen wir alles Fleisch durch den Wolf, was streng genommen ein wenig schade ist. Dann kommt hinzu, dass wir noch einige von den kompostierbaren Auflaufformen haben, die wir für unseren frischen Leberkäse zum daheim Fertigbacken angeschafft hatten. Die möchten wir noch loswerden, bevor das Togo-Geschäft im Bornheimer Ratskeller hoffentlich für immer abgeschafft werden kann. Und last but not least sind da noch ein paar Kartoffeln von unserem Bio-Bauern Thomas Zell, sodass in Kenntnis um die verschiedenen europäischen Küchen dann schnell der irische Shepard´s pie ins Bewusstsein rückt, weil er eben alles vereint, was wir benötigen: die Verarbeitung von Fleisch und Kartoffeln als Auflauf. Aber eben nicht mit Lamm wie im Original, sondern mit regionalem Wildschwein, das uns eben auch kein Schäfer, sondern ein Jäger beschert hat, weshalb wir unser Gericht dann ein wenig umbenannt haben.

Bild 1: Angeschwitzte Zwiebeln ©mf
Bild 1: Angeschwitzte Zwiebeln ©mf

Der Rest ist dann wieder Handwerk, das wir in Bildern für Sie festgehalten haben. Zu sehen sind die beiden Kippbratpfannen in unserer Metzgerei (Bild 01). In der linken entsteht die Rehbolognese, in der rechten das Wildschweinragout. Begonnen wird wie so oft, wenn etwas lecker werden soll, mit mühsam unter Tränen gewürfelten Zwiebeln und Knoblauch, die in Öl angeschwitzt werden. Danach (Bild 02) kommen beim Reh Karotte und Staudensellerie hinzu, das klassisch italienische soffritto, rechts Knollensellerie, Karotte und Champignons, da Pilze und Wild Herkunfts bedingt immer gut zusammen gehen.

Bild 2: Restliches Gemüse in winzige Würfel geschnitten ©mf
Bild 2: Restliches Gemüse in winzige Würfel geschnitten ©mf

Sind auch diese angeschwitzt (Bild 03), kommt das Fleisch hinzu (Bild 04).

Bild 3: Geschmackliche Grundlage ©mf
Bild 3: Geschmackliche Grundlage ©mf
Bild 4: Frisch durchgelassenes Fleisch aus Langen ©mf
Bild 4: Frisch durchgelassenes Fleisch aus Langen ©mf
Bild 5: Tomatisiertes Wildschwein ©mf
Bild 5: Tomatisiertes Wildschwein ©mf

Die unterschiedliche Menge bedingt, dass das Wildschweinragout in der Folge etwas schneller voranschreitet. Hier kommt nun das Tomatenmark an die Reihe (Bild 05), das kurz mitgeröstet wird. Während das Reh immer noch keine ordentliche Farbe abgekriegt hat, löschen wir das Wildschwein rechts bereits mit den letzten, uns zur Verfügung stehenden Flaschen Tegernseer Dunkelbier ab (Bild 06). Wieso ? Auch die müssen einer sinnvollen Verwertung zugeführt werden. Und da der Ire für das zitierte Original auf Guinness zurückgreift, haben wir nicht lange überlegt.

Bild 6: Unser Guinness-Ersatz: Tegernseer Dunkelbier ©mf
Bild 6: Unser Guinness-Ersatz: Tegernseer Dunkelbier ©mf

Nachdem das Bier verdampft ist, wird das Fleisch mehliert (Bild 07), um den im Anschluss hinzugegossenen Wildschweinfond aus den entsprechenden Knochen ein wenig zu binden (Bild 08).

Bild 7: Mehliertes Wildschwein ©mf
Bild 7: Mehliertes Wildschwein ©mf
Bild 8: Aufgegossenes Wildschwein ©mf
Bild 8: Aufgegossenes Wildschwein ©mf

Zu guter Letzt kommen in den rechten Kipper noch ein paar mediterrane Kräuter (Bild 09) aus Bornheimer Anbau, bevor das Fleisch dann in seinem eigenen Saft weichschmort. Erst jetzt ist auch das Reh im linken Kochgeschirr soweit, dass der nächste Schritt erfolgen kann. Im Gegensatz zu Tomatenmark, verwenden wir hier Ketchup (Bild 10), weil es viele Gewürze beinhaltet, die wunderbar zu Reh passen.

Bild 9: Gekräutertes Wildschwein ©mf
Bild 9: Gekräutertes Wildschwein ©mf
Bild 10: Tomatisiertes Reh ©mf
Bild 10: Tomatisiertes Reh ©mf

Dann wird auch hier abgelöscht: mit Rotwein und Johannisbeersaft (Bild 11).

Bild 11: Gran Reserva und Johannisbeersaft fürs Reh ©mf
Bild 11: Gran Reserva und Johannisbeersaft fürs Reh ©mf

Ist diese Flüssigkeit verkocht, wird auch hier mit Brühe aufgegossen (Bild 12) und zu guter Letzt mit Kräutern und einem Gewürzsäckchen vollendet. Nun schmort das Reh bei geschlossenem Deckel, da wo beim Wildschwein die viele Flüssigkeit ein wenig einkochen soll, um ein eher sämiges Ergebnis zu erzielen (Bild 13).

Bild 12: Kräuter und Gewürze fürs Reh ©mf
Bild 12: Kräuter und Gewürze fürs Reh ©mf
Bild 13: Offen und geschlossen schmoren ©mf
Bild 13: Offen und geschlossen schmoren ©mf

Kurz vor Ende kommen beim rechten Kipper noch die Moosbeeren (Cranberries) hinzu (Bild 14), bevor das Ragout aus dem Kochkessel hinausbefördert wird.

Bild 14: Cranberries fürs Wildschweinfinale ©mf
Bild 14: Cranberries fürs Wildschweinfinale ©mf

Da das mit der Metallkelle nicht restlos geht (Bild 15), wir aber bis zum Schluss keinen Fitzel von irgendwas verkommen lassen, haben wir immer ein paar Scheiben Weizenwischbrot vorrätig, um den Kipper grob vorzureinigen (Bild 16).

Bild 15: Vorläufig geleerte Kippbratpfanne ©mf
Bild 15: Vorläufig geleerte Kippbratpfanne ©mf
Bild 15: Weizenwischbrot im Einsatz ©mf
Bild 15: Weizenwischbrot im Einsatz ©mf

Mit diesem ersten Verkostungseindruck lässt sich später dann auch authentischer schreiben, was Sie kommende Woche erwartet. Und der Pie wird spitze – das kann ich jetzt schon sagen. Wir haben gleich mal ein Probestück angefertigt, damit Sie auch das Endergebnis sehen können (Bild 17). Ist ja nur selten, dass wir das so frühzeitig können.

Bild 17: Hunter's pie à la Bornheimer Ratskeller ©mf
Bild 17: Hunter's pie à la Bornheimer Ratskeller ©mf

Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch im linken Kipper nur noch eine Zutat fehlt: gute Hüttenthaler Butter (Bild 18). Die ist wichtig, weil das Reh so mager wie kaum ein anderes Fleisch ist. Für den Schmelz, den eine Bolognese üblicherweise durch das Fett im Rinderhack oder sogar etwas Bauchspeck vom Schwein erhält, brauchen wir eine Alternative, die ich mir von einem Rezept der fast 80-jährigen Köchin der italienischen Königsfamilie (also deren Nachfahren) abgeschaut habe – aber das ist eine ganz andere Geschichte …

Bild 18: Butter bei die Rehe ©mf
Bild 18: Butter bei die Rehe ©mf

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Da die Termine überschritten sind, sind für die Gerichte der Kalenderwoche 19 keine Bestellungen mehr möglich. Aber wir überlegen schon fleißig, was wir nächste Woche für Sie kochen. Das geben wir dann über unsere Webseite bzw. über unseren Newsletter bekannt!

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